Das Wort "queer" geistert immer öfter im Zusammenhang mit der homosexuellen Szene durch die Medien, doch dieser Begriff bezeichnet noch viel mehr als nur Schwule und Lesben. Zu Beginn noch als Schimpfwort für Homosexuelle verwendet, ist die Bezeichnung heute ein fester Begriff für Menschen, die sich nicht an der heterosexuellen Norm und Identität orientieren. Was das Wort queer genau bezeichnet und wo der Ursprung liegt erfahren Sie in diesem Erotik-Lexikon-Artikel.
Irgendwann in den achtziger Jahren, während der Präsidentschaft von Ronald Reagan wurde die Situation für die Lesben und Schwulen schlimmer. Mitschuld trägt sicherlich das zu diesem Zeitpunkt entdeckte und populär gewordene HI-Virus, welches die Immunkrankheit AIDS hervorruft. Man brachte hauptsächlich die Schwulen-Szene mit HIV und Aids in Verbindung. Sie galten als bestraft durch die Krankheit, weil sie sich eben nicht an der im Christentum vorgegebenen heterosexuellen Norm orientierten. Neben dieser Problematik wurden Homosexuelle auch immer wieder als eigene gesellschaftliche Randgruppierung angesehen, die ihre bestimmten Charakterzüge und Vorlieben hat. Gegen das Selbstverständnis heteronormer Menschen als „normal“ lehnten sich vor allem die Aktivisten der Homo-Szene auf, denn mitnichten wollte man "normal" sein und vor allem im Zuge der Act Up Bewegung, die sich das Thema AIDS auf ihre Fahnen geschrieben hatte, verwendete man das Wort queer um seine individuelle Einstellung und Lebensart darzustellen. Dass das Wort an sich ein negativ behaftetes Schimpfwort war, kam da gerade recht, denn auf diese Weise konnte man sichergehen, genügend Aufmerksamkeit zu erringen.
LGBT, LSBT oder LGBTIAQ - wem dieser Buchstabensalat zu kompliziert ist, der macht heute mit dem Wort queer nichts mehr falsch. All diejenigen, die nach der heterosexuellen gesellschaftlichen Norm anders sind, finden unter dem Begriff Platz. Nicht nur Schwule und Lesben bezeichnen sich so, auch Transgender, Intersexuelle, Pansexuelle, Asexuelle, ebenso polyamor lebende Menschen verwenden das Wort, um ihre Abweichende sexuelle und persönliche Identität zu beschreiben. Sogar BDSMler lassen sich dem Sammelbecken queer zuordnen. Man ist Teil einer Gemeinschaft, in der man nicht für seine sexuellen Neigungen und Vorlieben und oder seine Geschlechteridentität kritisiert und diskriminiert wird.
Heteronormativität als soziale Norm wird von den Menschen der Queer-Bewegung abgelehnt. Vielmehr soll es allen Menschen, egal welche sexuelle Neigung und welche Geschlechteridentität sie haben, möglich sein, ein erfülltes Leben zu führen, ohne auf Widerstände aus der Gesellschaft stoßen zu müssen. Der Zwang zur Heteronormativität sollte demnach aufgelöst werden. Im Zusammenhang mit der Queerbewegung darf der Queerfeminismus nicht unerwähnt bleiben. Dieser postfeministischen Strömung geht es u.a. um die Trennung der sexuellen Identität sowie der Geschlechteridentität vom biologischen Geschlecht.
Verschiedene Identitäten, die auf sexuellen Neigungen wie der Homosexualität beruhen, werden in der Queer Theory aufgelöst. Die Theorie richtet sich lieber nach den Bezeichnungen Sex, Gender und Desire, sprich dem biologischen Geschlecht, dem sozialen Geschlecht, sowie das Verlangen danach, was als sexuell anziehend empfunden wird. So werden die verschiedenen Identitäten in drei einzelne Faktoren zerlegt und anhand der Kulturtheorie untersucht. Der Grundgedanke, der hinter dieser sozialen Methode steckt, ist der, dass sowohl die sexuelle als auch die geschlechtliche Identität gemacht werden und nicht von vornherein veranlagt sind. Die Queer-Theoretiker untersuchen hierbei, wie sich die einzelnen kulturellen Faktoren auf eine Identitätsfindung auswirken und demaskieren sie dementsprechend. Die einzelnen Disziplinen in denen das geschieht bezeichnet man als Queer Studys.
Da Queer im Prinzip nur ein Oberbegriff ist, der alle von der heterosexuellen Norm abweichenden Menschen unter einen Hut bringt, gibt es verschiedene Gruppen, die sich darunter zuordnen lassen. Queer kann keinesfalls als eigenständige Bezeichnung schwul oder lesbisch ersetzen. Vor allem dann, wenn es um rechtliche Interessen oder gesellschaftliche Akzeptanz geht, verfolgen die einzelnen Gruppen verschiedene Ziele, die sich lediglich unter dem Dach „mehr gesellschaftliche Akzeptanz für Diversität“ zusammenfassen lassen: Ein Crossdresser wird sich hier mehr um Toleranz seiner Kleidung bemühen, damit er beispielsweise in Frauenkleider seiner Arbeit nachgehen kann, wohingegen sich ein Transgender eher für die Aufhebung der steifen Zwei-Geschlechter-Gesellschaft einsetzen wird.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele meiner schwulen Freunde schon sehr früh wussten, was bei ihnen los war. Manche spielten schon im Kindergarten lieber in der Puppenecke oder standen bereits im zarten Grundschulalter auf den netten Nachbarsjungen, ohne sich viel dabei zu denken. Als ich in die Pubertät kam und all meine Klassenkameraden begannen sich für Mädchen zu interessieren, dachte ich mir nicht viel dabei, dass ich mit dem Thema nichts anfangen konnte, und hielt mich eben für einen Spätzünder. Das änderte sich, als ich mit 15 von der Schule aus ins Skilager fuhr und dort auf einen sehr attraktiven Skilehrer traf. Ich genoss die Aufmerksamkeit, die er mir zu Teil werden ließ. Ich bin echt eine Niete im Skifahren. Erst als ich bemerkte, wie mein Herz plötzlich schneller schlug, wenn ich ihn sah, begann ich über meine Sexualität nachzudenken. Lange nachdem ich wieder zuhause war, grübelte ich über mein Herzklopfen nach und fragte mich, warum ich den Skilehrer so anziehend gefunden hatte. Schweren Herzens beschloss ich, dass ich wohl bisexuell sein müsse, denn die Tatsache, dass ich schwul war, war in diesem Moment noch zu erschreckend. Um meiner wahren sexuellen Orientierung zu trotzen, hatte ich dann auch einige Freundinnen. Mit meiner letzten Freundin war ich immer noch in einer Beziehung, als ich Ben traf. Ich feierte meinen 20. Geburtstag in einem bekannten Club, als er mich von hinten antanzte und mich nach der Aktion auf der Tanzfläche in ein Gespräch verwickelte. Wir tauschten schließlich unsere Telefonnummern aus und verabredeten uns für das kommende Wochenende. Ich war inzwischen sexuell so angefixt von ihm, dass ich wusste, worauf dieses Treffen hinauslaufen würde. Und so kam es dann auch, Ben zeigte mir, worauf ich wirklich stand - und das war definitiv kein Sex mit einer Frau. Nach meinem inneren Coming Out brannte ich komischerweise darauf, auch den Leuten in meiner Umgebung davon zu erzählen, hatte ich mich doch jahrelang selbst belogen.Zuerst erfuhr es meine damalige Freundin, die es zum Glück gut aufnahm, hatte sie doch bereits geahnt, dass ich „anders“ war. Als nächstes erfuhren es meine Freunde, die allesamt hinter mit standen. Nur bei meiner Familie hatte ich Schwierigkeiten und so erfuhren meine Eltern und mein Bruder als letztes von meiner Homosexualität. Ich benötigte einige Anläufe, bis ich mich schließlich dazu entschloss, meinen Eltern einen Brief zu schreiben. Wohlweislich, nachdem ich mich mit 22 Jahren endlich für einen Studiengang weit weg von zu Hause entschieden hatte. Ich schickte den Brief also ab und wartete auf einen Anruf, der auch umgehend kam. Weder meine Eltern noch mein Bruder hatten ein Problem mit meiner Homosexualität, sie waren nur überrascht, da ich bisher so einige Freundinnen mitgebracht hatte. Aber am Ende war sprichwörtlich alles gut und retrospektiv fiel es mir wohl am schwersten, mich vor mir selbst zu outen. Mittlerweile bin ich viel in der Queer-Szene unterwegs. Ich lebe in Berlin und genieße die unglaubliche Vielfalt, die hier gelebt werden kann. Meine Freunde sind aus allen möglichen Ländern nach Berlin gekommen, weil man hier sein kann, was man ist, ohne dafür angeprangert zu werden. Unter ihnen sind nicht nur Schwule, sondern auch Transgender und ein paar total verrückte Drag Queens. Ich liebe es, mit diesen bunten Vögeln Party zu machen! Die Szene hier ist ziemlich groß und es gibt sehr viele Angebote in allen Bereichen. Sogar ein Queer-Tango-Festival. Ich könnte mir nicht vorstellen, zurück in das kleine Nest zu gehen, in dem ich aufgewachsen bin. Da werde ich so schon schief angeguckt, weil es sich eben rumgesprochen hat, dass ich auf Jungs stehe.
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